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Mit Parelli zum entspannten Pferd

Ein Pferd auf Entdeckungsreise

Zuerst begegnet uns ein freilaufendes Pferd. Ohne Halfter, ohne zugehörigen Menschen bewegt es sich im abgezäunten Viereck und schaut sich in aller Ruhe um. Beschnuppert die Rucksäcke der am Rand stehenden Zuschauer, schlendert quer durch die ganze Bahn, begrüßt vorbeilaufende Pferde. Die Rappstute lässt sich überhaupt nicht von dem hektischen Treiben drumherum stören - Menschen strömen durcheinander, Musik dröhnt aus Lautsprechern, Fotoapparate klicken, nebenan ist die Hallentür offen und ständig werden Pferde herein- und hinausgeführt.

Die Natur des Pferdes verstehen

Eben noch haben wir aufgeregte Pferde nicht weit entfernt bei der Vorstellung des jungen Springnachwuchses erlebt. Ihre Körper waren angespannt, die Augen weit aufgerissen, die Reiter oben drauf gaben ihr Bestes, um eine gute Vorstellung abzuliefern. Und hier nun diese relaxte Stute, die sich frei und völlig natürlich bewegt, als wäre sie auf der heimischen Koppel. "Die Natur des Pferdes verstehen" - das wollen die zwei Frauen, die sich Parelli-Instruktoren nennen und nun das Viereck betreten. Wie selbstverständlich lässt sich die Stute einfangen und das Knotenhalfter umlegen. Ihre Besitzerin Barbara Heinen erklärt inzwischen den Beobachtern ringsherum, dass Parelli keine eigene Disziplin oder Reitweise sei, sondern eine Basisausbildung für Pferd und Mensch. Vor allem aber für den Menschen. Denn was müssen wir lernen? Richtig, die Natur des Pferdes verstehen. Das ist das Ziel.

Eine vertrauensvolle Partnerschaft

Welcher Reiter oder Pferdebesitzer wünscht sich nicht, dass sein Pferd in stressigen Situationen ruhig bleibt, sich nicht erschreckt und sich voll und ganz auf den Menschen konzentriert? Um dies zu erreichen, ist eine gute und vertrauensvolle Partnerschaft zwischen zwei so unterschiedlichen Wesen unabdingbare Voraussetzung. Dann ist auch in schwierigen Momenten eine feine Hilfengebung möglich. Deswegen eignet sich Parelli auch für jede Disziplin des Reitsports, denn jeder gute Reiter hat die feine Kommunikation mit seinem Pferd als höchstes Ziel.

Wie aber erreicht man diese? Wie Klaudia Duif an ihrem Schimmel zeigt: Durch sieben Spiele, die der Gründer und Namensgeber Pat Parelli seinerzeit erfunden hat, nachdem er die Kommunikation unter Pferden im Herdenverband beobachtete. Indem der Mensch diese Spiele beherrscht, schlüpft er symbolisch in die Rolle der Leitstute. Droht der Herde oder einem einzelnen Pferd Gefahr, so entscheidet die Leitstute, was zu tun ist. "Ich wünsche mir, dass mich mein Pferd, wenn es Angst bekommt, fragt: Was soll ich tun?", sagt Klaudia. Deshalb geht es bei den Spielen einerseits um Freundlichkeit und Nähe, andererseits auch um Dominanz. Denn für Pferde als Fluchttiere ist überlebenswichtig, wem sie folgen. Hat derjenige gute Ideen, ist verlässlich und souverän, werden sie mit ihm durch dick und dünn gehen. Das gilt es, dem eigenen Pferd durch Parelli zu beweisen.

Wie sensibel Pferde reagieren, wenn man ihre Sprache spricht, können zwei Besucherinnen bei den Parelli-Instruktoren selbst erleben. Sie probieren das Spiel "Folge dem Gefühl" direkt am fremden Pferd aus. Im Sinne der feinen Hilfengebung geht Pat Parelli davon aus, dass Pferde schon auf den kleinsten Druck reagieren - ein Pferd auf der Weide merkt sofort, wenn eine Fliege auf seinem Fell landet. Möchte man, dass das Pferd auf Druck weicht - also zum Beispiel mit der Vor- oder Hinterhand oder seitwärts, hat man vier Phasen der Drucksteigerung zur Auswahl.

Klaudia Duif zeigt an ihrem Schimmel, wie wenig Druck allein die erste Phase bedeutet - nur ein Berühren des Nasenrückens oder ein Streicheln an der Brust bringt den Wallach dazu, einen Schritt rückwärts zu gehen. Vertraut das Pferd dem Menschen noch nicht so richtig, weil es ihn zum Beispiel gar nicht kennt, steigert man den Druck langsam, und wird schließlich das gleiche Ergebnis erreichen. Das verblüfft die "Probanden", welche die fremden Pferde nach nur wenigen Minuten mit einem leichten Bewegen des sogenannten Carrot Sticks rückwärts treten lassen - dieser lange Stock mit Seil verleiht dem Menschen in Pferdeaugen die gewisse Größe bzw. Länge, um das Pferd an allen Stellen zu erreichen. Das Instrument dient in keinster Weise zum Schlagen oder Anspornen, wie zum Beispiel eine Gerte.

Und so lässt sich der Schimmel auch ohne Probleme mit dem Stick am ganzen Körper berühren, hat also keine Angst davor. Lediglich als Verstärkung soll der Stick eingesetzt werden - und wie auf magische Weise tritt das Pferd rück- oder seitwärts, wenn man das Instrument in einem Abstand von gut einem Meter vor oder seitlich von ihm bewegt. Es weicht der souveränen Körpersprache seines "Leitmenschen", der den Stick in fünf Zonen nutzen kann, um vom Pferd jegliche gewünschte Position zu erfragen.

Die freundliche Frage "Kannst du mir eine Vorhandwendung zeigen?" wird zumeist schnell verstanden und umgesetzt - gefolgt von Lob durch angenehme Berührung und Stimme. Pferde lernen auf diese Weise sehr schnell und man kann ihnen direkt ansehen, wie sie mitdenken, um ihrem Menschen den Gefallen zu tun. Weigern sie sich, so hat das meist gute Gründe: Man hat zu aufdringlich gefragt, sie verunsichert oder ihr Wohlwollen ausgenutzt, um schneller zum Erfolg zu kommen.

Parelli mehr als Bodenarbeit

Dass die Arbeit mit Parelli am Boden später auch beim Reiten hilft, zeigt Klaudia am Ende der Stunde. Sie klettert auf ihren Schimmel, der ganz brav stehen bleibt, und nur mit Fellsattel und gebissloser Zäumung ausgestattet ist. Die Zuschauer erleben die sprichwörtliche Einheit von Pferd und Reiter, als sie auf einem ausbalancierten, abschnaubenden Pferd selbst höhere Lektionen wie Traversalen, Passage, fliegende Galoppwechsel zeigt. Und das Pferd versteht - ohne Gerte und Sporen. Spätestens jetzt hat auch der letzte Zweifler gemerkt, dass dieses Parelli doch eine ganz nützliche Sache sein kann - gerade für Dressurreiten, wo es ja auf möglichst unsichtbare Hilfen ankommt.


Einziges Manko aus unserer Sicht: Auch eine Parelli-Instruktor sollte einen Helm tragen. Ansonsten eine absolut pferdegerechte Demonstration davon, was alles möglich ist, wenn man dem Partner Pferd auf halbem Weg entgegenkommt. Das Verständnis und die Begeisterung vieler Reiter und Pferdebesitzer für diese Art und Weise, mit dem Pferd umzugehen, wächst - wie wir auch an den Verkaufsständen sehen konnten. Dort waren Knotenhalfter, Sticks, Seile in verschiedenen Größen und Halsringe heiß begehrt. Ohne professionelle Anleitung sollte man als Laie jedoch nicht einfach draufloslegen. Parelli-Trainer gibt es deutschlandweit leider immer noch viel zu wenige. Eine Auswahl der Ansprechpartner findet ihr hier und lokal unter "Gewusst wo".

 

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